DGB Berlin-Brandenburg
#GuteArbeitFürBerlin – unter diesem Motto haben wir gestern Abend mit Beschäftigten aus verschiedenen Branchen, ihren Gewerkschaften und Berliner Landespolitik diskutiert. Denn noch immer ist Berlin auch Hauptstadt prekärer Beschäftigung, sind die Arbeitsbedingungen oft schlecht.
In den Beiträgen der Beschäftigten aus Handel, Postdienstleistungen, Gastronomie und Lieferdiensten, aus Baubranche und Gebäudereinigung wurde deutlich: Es gibt ein System hinter den branchenübergreifenden Problemen. Wo Bezahlung und Arbeitsbedingungen schlecht sind, finden Unternehmen nur schwer Arbeitskräfte – und erst recht keine Fachkräfte.
Ungünstige Arbeitszeiten, Lohndrückerei unter anderem durch Tarifflucht, fehlende Perspektiven und Planungssicherheit aufgrund von Befristungen und Hire-and-Fire-Mentalität setzen Beschäftigte massiv unter Druck. Knapp 76.000 Beschäftigte müssen in Berlin ihr Einkommen mit Hartz IV-Leistungen aufstocken, weil sie von ihrem Einkommen nicht leben können. Und daran hängen Familien: Jedes vierte Kind in Berlin ist auf Hartz IV angewiesen.
Wenn Berufe durch die schlechten Arbeitsbedingungen unattraktiv werden und Personal fehlt, heißt das für die Beschäftigten, dass sie rasant steigender Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Stress, Überlastung und permanente Überstunden setzen einen Teufelskreis in Gang. Mehr als die Hälfte der Berliner*innen fühlt sich durch Arbeitshetze und Zeitdruck belastet, belegt der Index Gute Arbeit.
In der Pflege zeigt sich beispielhaft, wohin das führt – tausende Beschäftigte haben den Dienst quittiert und sich neu orientiert, obwohl sie ihren Beruf lieben. Dabei könnte es anders sein: Rund 300.000 Pflegekräfte geben in einer Umfrage an, in ihren Beruf zurückkehren zu wollen, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern.
Lösen lässt sich das Problem der fehlenden Arbeitskräfte nicht allein durch Zuwanderung. Niedrige Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen ziehen gravierende gesellschaftliche Probleme nach sich. So führt etwa die Ausweitung der Minijobs zu einer weiteren Schwächung der sozialen Sicherungssysteme.
Klarer Handlungsauftrag an die Politik: Tarifflucht bekämpfen, Tariflöhne Stärken, Befristungen und Minijobs zurückdrängen. Und konsequent und flächendeckend Kontrollen durchführen, um die Einhaltung bestehender Gesetze durchzusetzen – sei es beim Arbeitsschutz oder beim Mindestlohn und der Schwarzarbeit.
Die Berliner Landesregierung hat dort, wo es in ihrem Einflussbereich liegt, erste wichtige Schritte getan, wie Sozialsenatorin Katja Kipping und die arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen Sven Meyer, Christoph Wapler und Damiano Valgolio deutlich machten.
Mit der Einführung eines elektronischen Tarifregisters Transparenz geschaffen, den Landesmindestlohn erhöht, der Vergabemindestlohn folgt, Tariftreue steht im Vergabegesetz und muss jetzt angewendet werden. Gegen Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz und die Behinderung von betrieblicher Mitbestimmung soll es Schwerpunktstaatsanwaltschaften geben.
Und auch im Verwaltungsalltag ist einiges in Bewegung gekommen, vor allem auf gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Druck. In drei Bezirken wird die Schulreinigung rekommunalisiert, in weiteren öffentlichen Gebäuden auf Tagesreinigung umgestellt – eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, die die Arbeit attraktiver, besser mit dem Leben vieler Beschäftigter vereinbar macht und wegführt von Minijobs und prekärer Beschäftigung.
Das sind gute erste Schritte, mit denen Berlin voran gehen und Standards setzen kann. Weitere müssen folgen.
snavar
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