„Das Handwerk mit seinen etwa 160.000 Beschäftigten ist ein entscheidender Faktor für die Brandenburger Wirtschaft“, erklärt Christian Hoßbach, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg. „Dabei ist klar: Die Zukunft des Handwerks hängt von seinen Fachkräften ab, und der Schlüssel zur Fachkräftesicherung sind Tarifverträge. Der Dreisatz heißt gute Einkommen – Tarifbindung – Tariftreue“. Tarifverträge regeln eine anständige Bezahlung, sichere Arbeitsplätze, die Vereinbarkeit von Job und Familie, altersgerechte Arbeitsbedingungen, ein betriebliches Gesundheitsmanagement und hohe Standards beim Arbeitsschutz.
„Die Handwerkskonjunktur brummt seit Jahren, die Betriebe verdienen kräftig. Aber viele Betriebe haben immer noch nicht den Schuss gehört und kümmern sich nicht um guten Nachwuchs und attraktive Arbeitsbedingungen“, sagt Hoßbach. Viele Brandenburger Handwerker verdienen nur 13 bis 15 Euro die Stunde, in Lebensmittelhandwerk und Gebäudereinigung sogar nur neun bis 12 Euro. „Niedriglohn für Facharbeit zahlen, ist respektlos“, kritisiert Hoßbach, „bei der Bezahlung von Handwerkerinnen und Handwerkern in Brandenburg muss es aufwärts gehen.“
„In den nächsten Jahren muss der Ordnungsrahmen für das Handwerk erneuert werden. So unterstützen wir die Wiedereinführung der Meisterpflicht, weil sie ein entscheidender Baustein für die Ausbildung im Handwerk ist. Ebenso erwarten wir die Wiederherstellung ernstzunehmender Tarifbindung im Handwerk, damit unsere Kolleginnen und Kollegen auf gesicherter Grundlage arbeiten können und sich nicht um Altersarmut sorgen müssen. Die Lohnlücke zwischen Handwerk und Industrie beträgt inzwischen 1.000 Euro im Monat.“
Aktuell gilt nur für etwa 30 Prozent der Beschäftigten im Handwerk ein Tarifvertrag (Gesamtwirtschaft: knapp 60 Prozent). In Ostdeutschland sind es sogar nur etwa 15 Prozent. Laut Handwerksordnung sind die Innungen mit dem Abschluss von Tarifverträgen beauftragt – aber die können oder wollen diese Aufgabe nicht immer erfüllen. „Die Innungen müssen gestärkt werden, und Innungsmitgliedschaften ohne Tarifbindung widersprechen der Handwerksordnung“, so Hoßbach und verweist auf die wirtschaftlichen Vorteile der Tarifbindung. „Mit Tarifverträgen sichern die Betriebe ab, dass Wettbewerb über Qualität funktioniert, und nicht über einen ruinösen Preiskampf, der auf Dumpinglöhnen fußt.“
Vom Land erwarten die Gewerkschaften Änderungen in der Handwerksordnung und wirksame gesetzliche Tariftreueregeln. „Öffentliche Aufträge für Handwerksleistungen sollen künftig nur an Betriebe mit Tarifvertrag gehen“, fordert Hoßbach. Die öffentliche Hand habe eine wichtige Verantwortung als Auftraggeber. „Wann immer in Schulen, Kitas und Behörden Fenster ausgetauscht, Fassaden gestrichen, Sanitäranlagen erneuert und Heizungen repariert werden, darf der Auftrag nur an Firmen gehen, die Facharbeit korrekt nach Tarif bezahlen, und nicht an Niedriglohn-Kolonnen.“
Hintergrund:
Quelle zu Einkommen und Tarifbindung im Handwerk:
Katarzyna Haverkamp/Kaja Fredriksen 2018: Lohnstrukturen im Handwerk, Study der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 380, Düsseldorf, S. 26/27, https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_380.pdf.
Innungen und Handwerksordnung:
Innungen sind keine „normalen“ Arbeitgeberverbände, sondern Körperschaften öffentlichen Rechts. Paragraf 54 der Handwerksordnung regelt, dass Innungen oder Innungsverbände Tarifverhandlungen führen. Dieser Verantwortung kommen die Innungen aber aktuell nicht durchgehend nach: Viele Innungen bieten ihren Mitgliedsbetrieben an, sich von der Tarifbindung zu befreien. Die Rede ist hier von „Mitgliedschaften ohne Tarifbindung“ (OT-Mitgliedschaften). In einem rechtskräftigen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich festgestellt: OT-Mitgliedschaften entsprechen „nicht den gesetzlichen Vorschriften“ und verletzen gleich fünf Paragrafen der Handwerksordnung. Diese Ansicht teilt auch die Bundesregierung. Handwerkskammern müssen Innungssatzungen mit OT-Mitgliedschaften deshalb formal ablehnen.
DGB
„Stadt – Land – Fair!“: Unter diesem Motto haben die Gewerkschaften ihre Forderungen an die Landespolitik formuliert. Der DGB vertritt als Dachverband seiner acht Mitgliedsgewerkschaften in der Region über 160.000 Gewerkschaftsmitglieder in Brandenburg.
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