Die Treppe heruntergefallen? Gegen die Tür gestoßen? Wenn Frauen so etwas über Verletzungen sagen, hält das vor den Augen aufmerksamer Beobachter:innen meist nicht stand. Heraus kommt: Es war doch der Partner. Das war 2020 bundesweit so in 80 Prozent der Fälle, bei 20 Prozent waren Frauen tatverdächtig und Männer Opfer, berichtet die Rechtsmedizinerin Dr. Anne Port von der Universität Rostock.
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Dr. Port weiß das aus ihrer Praxis in der Ambulanz. Häusliche Gewalt ist ein gesellschaftliches Phänomen und verdient volle gesellschaftliche Aufmerksamkeit, sagt Dr. Port und mahnt: "Sehr häufig erfahren Opfer mehrfach Gewalt - physisch, psychisch, Vernachlässigung und sexualisierte Gewalt." Besonders verhängnisvoll sind Kindheitstraumata, sagt die Rechtsmedizinerin. "Hier nimmt die Hirnentwicklung Schaden. Die Folge sind selbstverletzendes Verhalten und Schwierigkeiten bei der Anpassung an die Umwelt - bis hin zu einer 20 Jahre geringeren Lebenserwartung. "Dies lässst sich nur sehr schwer durchbrechen. Ein Grund also, besonders betroffene Kinder möglichst früh zu behandeln", sagt Dr. Port.
Was tun, wenn ich als Erzieherin, Lehrerin oder Betreuungsperson einen Verdacht habe? Häufig ist nicht voreiliges Vorpreschen das Problem, sondern zu langes Zögern der Personen, die Gewalt beobachten - auf der Straße, in der Nachbarschaft, unter Kolleg:innen, sagt die Ärztin.
Gabriele Andert als erfahrene Schutzpolizistin sagt, sehr hilfreich seien Hotlines, etwa die kostenlose Nummer
"Es geht nicht nur darum, etwas zu melden. Hotlines bieten auch Rat und Hilfe an", sagt sie.
Chat-Teilnehmerinnen steuern weitere Nummern bei: Das bundesweite Hilfetelefon gegen Gewalt gegen Frauen ist rund um die Uhr und in vielen Sprachen als Einstieg ins System ganz wichtig:
Das Hilfetelefon Sexueller Mißbrauch bietet Rat unter
Im Kolleg:innenkreis ist häusliche Gewalt an Frauen ein heikles Thema, weiß Gabriele Andert, besonders, wenn sich diese im psychischen Bereich abspielt. "Hier helfen Gespräche oder Gesundheitsmanagement - so stellt sich doch die Frage, warum eine Frau so oft krank ist.
Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor, aber besonders in Ballungsräumen, wo Menschen sehr eng zusammen wohnen. Was tut man als Nachbarin? Anzeigen? "Strafanzeigen sind ein steiniges Terrain, besser ist es, erstmal ein Hilfetelefon zu nutzen - ganz gleich, ob ich Hilfe brauche oder helfen möchte. Angst vor Verlust der Wohnung müssen misshandelte Frauen und ihre Kinder heute nicht mehr haben, sagt die Polizistin und berichtet von einer interessanten Entwicklung. "Gewalttätige Partner bekommen schon lange von der Polizei eine Wegweisung aus der Wohnung. Opfer der Gewalt können jetzt die Zuweisung der Wohnung beantragen - und bekommen sie, ganz unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Sagt ein Mann, dies ist mein Haus, meine Freundin kann doch mit den Kindern hier nicht wohnen bleiben? Doch, sie kann. Es bleibt ja sein Haus, nur wohnen kann er da nicht.
Apropos Wohnen: Die Runde war sich einig, der Bund muss künftig Frauenhäuser finanzieren. Logisch, denn Frauen können überall in der Bundesrepublik diese Schutzräume aufsuchen. Hier sei viel zu tun!