Deutscher Gewerkschaftsbund

30.01.2023
Anforderungen des DGB an die Politik

Berlinwahl: Gute Arbeit für alle Beschäftigten

Rückenwind für solidarische Politik

"Berlin für alle" neben dem roten Teppich im Foyer des Berliner Abgeordnetenhauses

A.Savin - WikiCommons

Gute Arbeit für alle Beschäftigten ist das zentrale Ziel gewerkschaftlichen Handelns. Der DGB Berlin-Brandenburg will ein Berlin mit gut bezahlten, tariflich gesicherten Arbeitsplätzen – im öffentlichen Dienst und in den Unternehmen.

Wir machen uns stark für ein Berlin, in dem Menschen eine Gute Arbeit haben. Ein Berlin, in dem Kinder in kleinen Gruppen gut betreut und gebildet werden. In dem alle ohne Angst vor Wohnungsverlust und Mietwucher leben können. Ein Berlin, in dem Auszubildende und Studierende gut ins Leben starten. Das Vorbild für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Betrieben ist. Und ein Berlin, in dem die Beschäftigten gesund und finanziell abgesichert in Rente gehen. Kurz gesagt: Ein Berlin, in dem die Menschen frei von Existenzsorgen arbeiten, lernen und leben, vorwärts kommen und sich entwickeln.

Der DGB Berlin-Brandenburg und seine Mitgliedsgewerkschaften erwarten, dass die Berliner Politik sich daran ausrichtet. Mit den Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg stehen wir weiter vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Wir begrüßen die entschlossene staatliche Krisenpolitik. Viele Menschen erkennen jetzt den hohen Wert leistungsfähiger Sozialversicherungen, geregelter Arbeitsverhältnisse mit guten Tarifverträgen und eines handlungsfähigen Staats. Das bringt Rückenwind für eine weitere Etappe solidarischer Politik.

Öffentliches Geld nur für gute Arbeit

Der DGB fordert:

  • Tarifierung aller öffentlichen Betriebe

  • Rekommunalisierung der Schulreinigung

  • Umstellung der Unterhaltsreinigung auf Tagesreinigung

  • Rekommunalisierungscheck: Alle ausgelagerten öffentlichen Dienstleistungen auf Rückführung in staatliche Strukturen überprüfen

  • Unterstützung der Vergabestellen bei der Umsetzung der Tariftreuepflicht

  • Steigerung der Anzahl von Betriebskontrollen

  • effektive Kontrollen und Einrichtung einer Beschwerdestelle zur Meldung von Verstößen gegen die Tariftreuepflicht

  • Arbeitsschutz verbessern durch deutliche Steigerung der Betriebsbesichtigungen und eine Arbeitsschutz-Hotline

  • Senatsmitglieder auf Betriebsbesuch sollen im Vorfeld nach Mitbestimmungs- und Tarifvertragsstrukturen fragen

Beauftragte für gute Arbeit für die Bezirke

Arbeitspolitik ist auch bezirkliche Aufgabe. Beauftragte für Gute Arbeit wie in Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg leisten einen wichtigen Beitrag. Der DGB fordert daher Beauftragte für Gute Arbeit in jedem Bezirk sowie ein berlinweites Konzept für ihre Arbeit.

Migrantische Beschäftigte vor Arbeitsausbeutung schützen

Gute Arbeit heißt auch, migrantische Arbeitnehmer*innen vor Ausbeutung zu schützen. Deshalb braucht das Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit eine institutionelle Absicherung. Berlin sollte außerdem die Fachkommission Menschenhandel wiederbeleben.

Gerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit fördern

In Familien tragen Frauen die Hauptlast der unbezahlten Sorgearbeit für Kinder oder zu pflegende Angehörige. Weil sie dafür im Job aussetzen oder in Teilzeit arbeiten müssen, verdienen sie weniger, unterbrechen ihre Karrieren und erhalten später auch weniger Rente. Damit nner mehr Sorgearbeit übernehmen und Frauen ein existenz-sicherndes Einkommen erwirtschaften können, braucht es genügend Beratungsangebote zur Elternzeit, Pflege, Qualifikationserhalt und Rückkehr in den Beruf.

Berufliche Bildung besser machen

In Berlin sinken seit Jahren die Ausbildungszahlen. Alle Appelle, Kampagnen und „Ausbildungsoffensiven“ haben nichts genutzt. Der Fachkräftemangel verschärft die Konkurrenz um gut ausgebildete Fachkräfte. Insbesondere kleine Betriebe, die ausbilden, sind von Abwerbung bedroht, tragen aber bisher die Kosten für die Ausbildung allein. An der Finanzierung müssen sich aber alle Unternehmen solidarisch beteiligen. Daher muss es eine Ausbildungsumlage geben.

Laut Ausbildungsreport der DGB-Jugend 2022 würden weniger als die Hälfte aller befragten Auszubildenden ihren Ausbildungsbetrieb weiterempfehlen. Die Einführung eines Qualitätssiegels Gute Ausbildung für mitbestimmte und tarifgebundene Unternehmen würde vielen Jugendlichen helfen. Zugleich unterstützt es vorbildliche Unternehmen bei ihrer Suche nach Auszubildenden.

Junge Menschen brauchen attraktiven und bezahlbaren Wohnraum. Daher fordern wir die flächendeckende Einrichtung von preisgebundenen und qualitativ hochwertigen Wohnheimen für Azubis und Studierende. Zur Förderung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Belange der rund 37.000 Auszubildenden fordern wir die Schaffung eines AzubiWERKs Berlin. Als Vorbild dafür kann das AzubiWerk München oder Hamburg dienen.

Gute Bildung für alle

Wir wollen gleiche Chancen für alle Kinder aus allen sozialen Verhältnissen. In allen Bildungsbereichen fehlt es an Personal und individueller Unterstützung, an geeigneten Räumen und digitaler Infrastruktur. Die Berliner Gewerkschaften engagieren sich für den Auf- und Ausbau inklusiver Bildungseinrichtungen und die Abschaffung aller Gebühren im Bildungsbereich.

Allgemeinbildende Schulen, Berufsschulen, Volkshochschulen und Musikschulen brauchen funktionale, nutzungsfreundliche und datenschutzkonforme Angebote für digitales Lernen und Kommunizieren. Dazu gehören Medienkompetenz, Aufklärung über Datenschutz sowie mitbestimmte Regelungen über digitales und mobiles Arbeiten. Alle Schulen brauchen einen Breitbandanschluss.

Gegen den Lehrer*innenmangel hilft nur Ausbilden: Berlin braucht mehr Studienplätze im Lehramt und in den Quereinstiegs-Masterstudiengängen. Bessere Bildung funktioniert nur mit einem guten Verhältnis von Lehrenden zu Studierenden, besserer Bezahlung in Praxissemester und Referendariat sowie mehr digitaler Didaktik in der Lehrkräftefortbildung.

Sozial- und Erziehungsberufe verdienen mehr Anerkennung, zum Beispiel mit einer besseren Bezahlung und gleichwertigen Arbeitsbedingungen bei öffentlichen und freien Trägern. Neben einer auskömmlichen Finanzierung zählt dazu auch die klare Vorgabe des Landes, Tarifstandards des öffentlichen Bereichs nicht zu unterlaufen. An den Volkshoch-schulen und Musikschulen sind Honorarverträge in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umzuwandeln und tarifliche Regelungen für arbeitnehmerähnliche Beschäftigte zu vereinbaren.

Leistungsfähige und demokratische Hochschulen

Alle vier Mitgliedergruppen der Hochschulen – Professorinnen und Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wissenschaftsunterstützende Beschäftigte und Studierende – sollen paritätische Entscheidungsrechte in den Gremien erhalten. Auch die Beschäftigung von wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll der vollen Mitbestimmung durch die Personalvertretungen unterliegen.

Gute Forschung und Lehre brauchen verlässliche Arbeitsbedingungen im wissenschaftlichen und wissenschaftsunterstützenden Bereich. Die Gewerkschaften erwarten, dass an den Berliner Hochschulen künftig Daueraufgaben auf unbefristeten Stellen erledigt werden und auf sachgrundlose Befristungen verzichtet wird. Die grundständige Lehre soll grundsätzlich hauptberufliches Personal durchführen. Wo Lehraufträge nötig sind, um eine Verzahnung mit der beruflichen Praxis zu erreichen, müssen diese inklusive der Vor- und Nachbereitungszeiten gleichwertig zu hauptberuflicher Tätigkeit vergütet werden.

Öffentlicher Dienst und handlungsfähiger Staat

Der öffentliche Dienst ist in Berlin über Jahrzehnte hinweg heruntergespart worden. Viele öffentliche Gebäude sind Sanierungsfälle. Es mangelt an Personal und Technik, die Digitalisierung kommt nur schleppend voran. Um diese Probleme zu beheben, braucht die Verwaltung mehr Investitionen, zügige Verwaltungsreformen und -modernisierungen und vor allem ein umfassendes Personalkonzept, um ausreichend neue Fachkräfte zu gewinnen und auch zu halten.

Berlin braucht einen deutlich attraktiveren öffentlichen Dienst. Dies stellt die Bezirke vor große Herausforderungen, da sie im Wettbewerb mit Bundes- und Landesbehörden stehen. Umso wichtiger sind ein gutes Arbeitsklima und der Dialog mit den Beschäftigten. Der DGB erneuert seine Forderung, Beschäftigten-Befragungen in den Bezirksverwaltungen durchzuführen und dazu den DGB-Index Gute Arbeit zu nutzen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Land Berlin 2020 bescheinigt, dass der Unter-schied zwischen Sozialhilfe und der niedrigsten Besoldung über viele Jahre hinweg zu gering war, das Land also deutlich zu wenig Besoldung gezahlt hat. Der Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus sind aufgefordert, die Einschätzung aus Karlsruhe ohne Wenn und Aber umzusetzen und endlich ein Reparaturgesetz für alle Besoldungsgruppen auf den Weg zu bringen.

Nachhaltige Wirtschaftspolitik ist ökologisch und sozial

Berlin hat schnell auf die Energiekrise reagiert und zusätzlich zum Bund ein ergänzendes Entlastungspaket geschnürt. Berlin braucht aber auch einen verantwortungsvollen Um-gang mit den auf den Weg gebrachten Hilfen gegenüber Beschäftigten und Gesellschaft, etwa indem staatliche Hilfen an konkrete Konzepte der Standort- und Beschäftigungssicherung gebunden sind. Wir fordern, dass Unternehmen, die Hilfen in Anspruch nehmen, keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen dürfen.

Berlin ist mit über 100.000 Industriearbeitsplätzen ein starker und innovativer Industriestandort. Mit ihrem hohen Anteil an Erneuerbaren Energien kann sich die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg zum Vorreiter für CO2-neutrale Produktion entwickeln. Gleich-zeitig boomen die Betriebe der Digitalisierungsbranche mit ihren vielen Startups in der Stadt. Wir brauchen einen Ansprechpartner auf Senatsebene, der sich verstärkt und gezielt um diese Wachstumsbetriebe der Zukunft kümmert. Sie sind die Transmissionsriemen der Transformation in der Produktion. Dafür muss der Dialog im Steuerungskreis Industrie fortgesetzt werden, ebenso wie der Masterplan Industrie.

Alle Anstrengungen der Zukunft müssen darauf zielen, die Einkommen der Berlinerinnen und Berliner zu verbessern. Gute, existenzsichernde Löhne und Gehälter gibt es vor allem mit Tarifverträgen. Die Berliner Regierung sollte die Tarifbindung deutlich verbessern, etwa indem sie Wirtschaftsförderungsprogramme an Kriterien guter Arbeit und Tarifbindung knüpft.

Die europäischen Strukturfonds ESF und EFRE unterstützen die Entwicklung von Wirtschaft, Beschäftigung und geschlechtergerechter Bewältigung der Transformation. Bei der Umsetzung der Fonds sind die Wirtschafts- und Sozialpartner zentrale Akteure. Um diese zu unterstützen, sollte Berlin ähnlich wie Brandenburg eine Kontakt- und Beratungsstelle für die europäischen Strukturfonds ESF und EFRE einrichten. Eine Beratungsstelle stärkt die informierte Zusammenarbeit der Partner im Begleitausschuss und verringert deren Verwaltungsaufwand erheblich.

Mobilität von den Menschen her denken

Eine erfolgreiche Mobilitätswende ist zentrale Voraussetzung, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften fordern, die Infrastruktur so zu auszubauen, dass die Menschen die Chance haben, klimaverträglich mobil zu sein.

Um die S-Bahn für die Mobilitätswende fit zu machen, braucht es schnell Planungssicherheit und das klare Bekenntnis des Senats für eine moderne S-Bahn aus einer Hand. Daher darf es keine Zerschlagung der S-Bahn geben.

Auch die BVG braucht Planungssicherheit: Wenn die BVG mehr für die Mobilitätswende leisten soll, braucht sie die notwendigen Gelder im Rahmen des Verkehrsvertrages. Genehmigungsverfahren, zum Beispiel für Busspuren, müssen deutlich schneller werden.

Mobilitätswende auch im städtischen Güterverkehr: Eine lebenswerte Stadt braucht ein zukunftsfähiges City-Logistik-Konzept zur Regulierung des Schwerlastverkehrs. Damit der Schienengüterverkehr zur Alternative zum Lkw wird, müssen Gleisanschlüsse für Industrie- und Logistikstandorte zum Standard in der Flächen- und Verkehrsplanung werden.

Für eine gesunde Stadt

Die neue Landesregierung steht in der Pflicht, die gesundheitliche Daseinsvorsorge wieder fit zu machen und zeitgemäß auszustatten.

Dafür muss Berlin die gesetzlich vorgeschriebenen Krankenhausinvestitionen mit jährlich 250 Millionen Euro ausfinanzieren. Es darf keine Zweckentfremdung von Beitragsgeldern der Versicherten für Investitionen geben. Zudem muss es einen handlungsfähigen öffentlichen Gesundheitsdienst geben.

Dem bereits bestehenden Fachkräftemangel kann nur durch bessere, tarifgebundene Beschäftigungsbedingungen begegnet werden. Tariflöhne- und -leistungen müssen verbindlich refinanziert werden. Außerdem braucht es verstärkte Anstrengungen zur Ausbildung von Pflegefachkräften sowie niedrigschwellige Angebote für eine qualitativ hochwertige Pflegeausbildung.

Bezahlbares Wohnen fördern

Berlin braucht einen Senat, der konsequent für bezahlbaren Wohnraum sorgt und die Zahl der Sozialwohnungen deutlich erhöht. Das geht nur mit starken landeseigenen Wohnungsunternehmen sowie einer Bodenbevorratung durch die Stadt, die den Handlungsspielraum zur Sicherung bezahlbarer Wohnungen erweitert. Notwendig ist zudem die Initiative, sich auf Bundesebene für das Vorkaufsrecht der Mieter*innen und einen Mietenstopp einzusetzen.

Engagement stärken

Eine demokratische Gesellschaft braucht nachhaltige und rechtlich verlässliche Rahmenbedingungen. Persönliches Engagement muss anerkannt werden. Dafür fordert der DGB ein Landesdemokratiefördergesetz für Berlin. Gemeinsam mit der Berliner Zivilgesellschaft soll die Landespolitik eine gesetzliche Grundlage erarbeiten und umsetzen.

Zur Absicherung und Koordinierung des Engagements gegen Diskriminierung und Antisemitismus fordert der DGB eine landesweite Anlaufstelle für regionale Initiativen zu schaffen.

Um die Demokratie zu stärken, brauchen wir mehr Engagement für politische Bildung. Förderbudgets müssen an die Inflation angepasst werden, damit die Träger die höheren Kosten nicht auf Teilnehmende umlegen und außerschulische politische Jugend- und Erwachsenenbildung nicht nur Besserverdienenden zugänglich ist.

Corona-Pandemie und aktuelle Preissteigerungen haben insbesondere die Jugend hart getroffen. Die Förderbudgets für die Jugendverbandsarbeit und Jugendbildungsstten müssen dringend erhöht und an die neue Realität angepasst werden.

Berlin für alle!

Der DGB Berlin-Brandenburg wird Politikerinnen und Politiker in der Hauptstadt daran messen, wie sie Arbeit, Bildung und Wirtschaft gestalten und eine weitere gesellschaftliche Spaltung verhindern. Die aktuellen und künftigen Herausforderungen zu meistern, wird nur gemeinsam gelingen. Wir beteiligen uns gern – für eine soziale und gerechte Stadt.

Dabei bleibt Gute Arbeit unser Credo: Tariflich bezahlt, sozial abgesichert, zukunftssicher, mitbestimmt und mit gesunden Arbeitsbedingungen. Das ist die Basis für ein gutes Leben und ein gutes Gemeinwesen.

"Berlin für alle" neben dem roten Teppich im Foyer des Berliner Abgeordnetenhauses

A.Savin - WikiCommons


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