Vom 23. bis 26. Mai 2023 fand in der Berliner Verti Music Hall der 15. ordentliche EGB Kongress anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Europäischen Gewerkschaftsbunds statt. Auf Anfrage der Präsidentin des englischen Gewerkschaftsbundes TUC hatte der Sekretär des EGB Kongresses, Ludovic Voet, der gleichzeitig als EGB Vorstandsmitglied auch inhaltlich für den Bereich Antidiskriminierung und LSBTI zuständig ist, kurzfristig zu einem LSBTI Netzwerktreffen beim EGB Kongress am 24.05.2023 eingeladen. Die Einladung richtete sich vorrangig an die dort vertretenen LGBTI-Aktivist*innen und wurde über den bestehenden Verteiler des Antidiskriminierungsarbeitskreises des EGB verbreitet. Vom DGB Bereich Antidiskriminierung und von der österreichischen Dienstleistungsgewerkschaft vida war Carsten Bock vom ver.di Arbeitskreis Regenbogen als Vertreter zu dem Netzwerktreffen entsandt worden.
Am 2. Kongresstag, direkt nach der Präsentation des Videos "50 Jahre EGB", eines der emotionalen Highlights des EGB, trafen sich fast 25 Vertreter_innen verschiedener europäischer Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände. Die Teilnehmer_innen waren ungefähr zur Hälfte LGBTI Aktivisten - wie z.B. von der spanischen UGT, der einzigen Gewerkschaft, die auch offensiv mit Regenbogenaufklebern erkennbar war, sowie u.a. aus Polen, Bulgarien, Rumänien, England, Italien, Griechenland und Deutschland. Dazu kamen auch ebenso viele hauptamtliche Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragte von Gewerkschaften und Verbänden u.a. aus den Niederlanden, Belgien und den skandinavischen Ländern.
Das auf Englisch stattfindende Treffen wurde von Mercedes Miletti (EGB) geleitet. Nach einer Erläuterung der Einladung durch Maria Exall, der Präsidentin des englischen TUC, die ja auch schon als langjährig LGBT-Vorsitzende der englischen Telekommunikationsgewerkschaft CWU ist, zu den Gründen des Treffens, übernahm das EGB-Büro und stellte den Aufbau und die Arbeitsweise des derzeitigen (informellen) Antidiskriminierungsarbeitskreises vor und lud die Gewerkschaften und Vertreter_innen, die sich bisher noch nicht daran beteiligten, zur Mitarbeit auf.
Die anschließende Diskussion, ob darüber hinaus die Einrichtung eines separaten LGBT-Arbeitskreises notwendig wäre und wie eine Zusammenarbeit in diesem Rahmen aussehen könnte, zeigte noch kein einheitliches Bild. Zusammen mit dem Kollegen Dr. Adam Rogalewski des europäischen Gewerkschaftsbundes der öffentlichen Dienste EGÖD, und der Kollegin Maria Exall, Präsidentin des englischen TUC (s. Foto rechts/links/oben/unten) hatte Carsten Bock die Notwendigkeit der Installierung eines LGBTI Komitees mit regelmäßigen Treffen gefordert, inkl. einer Ausstattung mit finanziellen Mitteln, was von den Vertreter_innen des EGB aber gleich als erst zu einem späteren Zeitpunkt realisierbar eingestuft wurde. In seinem Beitrag erinnerte er an die guten Erfahrungen aus dem EGB Aktionsprogramm 2007-2011(s. Foto), wo der EGB mit einer Kampagne bei allen EuroPride-Veranstaltungen vertreten und sichtbar war, u.a. beim EuroPride 2008 in Stockholm. Auch wies er auf die vielen Aufgaben hin, die vor uns liegen, wie die überfällige Verabschiedung der 5. Antidiskriminierungsrichtlinie in der EU und ihre Ratifizierung in den Ländern Osteuropas, die ILO Richtlinie 190, die Umsetzung und Begleitung der LSBTI Strategie der EU-Kommission und vieles andere mehr, welche im Rahmen der derzeitigen informellen Working Group Antidiskriminierung nur einmal im Jahr zur Sprache kämen und die daher unbedingt ein eigenes LGBTI Komitee erfordern würden.
Jedoch wurde die Diskussion zeitweise auch von den skandinavischen Kolleg*innen bestimmt (Schweden, Finnland), die nur für einen horizontalen Ansatz in einem gemeinsamen Antidiskriminierungs-Arbeitskreis eintraten. Außerdem machten einige der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragten von kleineren Gewerkschaften und Verbänden (dem EGB gehören ca. 90 Dach-Gewerkschaften und 10 europäische Gewerkschaftsverbände an) die hohe Arbeitsbelastung deutlich, der sie bei getrennten Arbeitskreisen ausgesetzt wären, weswegen sie sich dagegen aussprachen.
Dagegen machten besonders die Vertreterinnen aus osteuropäischen Ländern (Polen Bulgarien, Rumänien) auf die noch ausstehende Gleichbehandlung im Arbeitsrecht in ihren Heimatländern aufmerksam und beklagten die nicht einheitliche Gesetzgebung im Antidiskriminierungsbereich, die LSBTI in Osteuropa ganz besonders benachteilige. Sie befürchteten, dass der Druck ohne einen Arbeitskreis nicht ausreiche.
In der Zusammenschau sprachen sich also alle anwesenden LSBTI Aktivisten für ein eigenes LSBTI Komitee aus, nur die Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragten mehrheitlich nicht.
Nach dem Kongress soll nun das Votum des Treffens dem Exekutivausschuss des EGB vorgelegt werden, welcher entscheiden wird, ob für das laufende Aktionsprogramm 2023-2027 ein separates LSBTI Komitee eingerichtet wird und auch, wie die Antidiskriminierungsarbeit im EGB insgesamt gestaltet wird.
Am Ende der fast zweistündigen Veranstaltung fragten die EGB Mitarbeiter_innen die vorrangigen inhaltlichen Interessen ab. Durch die eher zurückhaltende Einstellung eines Teils der Teilnehmenden erzielte einzig die Frage "Mehr Sichtbarkeit des EGB für die Belange von LSBTI" fast vollständige Übereinstimmung.
Die Mitarbeiter_innen schlossen die Veranstaltung mit Verweis auf die bevorstehende Besprechung des Aktionsprogramms 2023-2027 im Plenum. Der dazu vom ver.di BAK Regenbogen über den DGB eingebrachte Änderungsantrag, den Bereich LGBT mit eigenen Strukturen, Programmen und Öffentlichkeitsarbeit dort mit aufzunehmen, war ja leider trotz positiven Votums im DGB schon im Vorfeld in der EGB Spitze durchgefallen und nicht in den gemeinsamen Aktionsprogrammantrag des EGB aufgenommen worden.
Am Rande der Veranstaltung konnten wir mit den Kolleg_innen des EGÖD, der europäischen Gewerkschaftsbundes der öffentlichen Dienste, die mit einem eigenen Infostand am EGB Kongress vertreten waren, erste Schritte zur Einrichtung eines LSBTI Komitees beim EGÖD, dem europäischen Pendant zur PSI, besprechen. Das erste Treffen, zu dem mittlerweile auch öffentlich eingeladen wurde, wird dazu am Montag, dem 26.06.2023 online stattfinden.
Bericht: Carsten Bock (ver.di)
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